Rücksichtnahmegebot

Rücksichtnahmegebot bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat in seiner Entscheidung vom 19.07.2018 (Az. OVG 10 S 52/17) entschieden, dass sich die Anforderungen an das Rücksichtnahmegebot bei der Errichtung von Flüchtlingsunterkünften im Außenbereich nach § 246 IX BauGB gegenüber den Eigentümern von Nachbargrundstücken im unbeplanten Innenbereich nach § 35 Abs. 3 BauGB richtet. Damit widerspricht das OVG der vorangegangenen Entscheidung des VG Berlin, das den Maßstab an das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf die betroffenen Nachbargrundstücke aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgeleitet hat.

Nach § 246 Abs. 9 BauGB gilt bis zum 31. Dezember 2019 für Vorhaben, die der Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden dienen, die Rechtsfolge des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB entsprechend, wenn das Vorhaben im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang erfolgen soll zu Grundstücken, die im beplanten oder unbeplanten Innenbereich liegen. Durch § 246 Abs. 9 i.V.m. § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB wird die Errichtung von Flüchtlingsunterkünfte mithin teil-privilegiert bzw. begünstigt, weil ihnen die in § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB aufgezählten öffentliche Belange nicht entgegenhalten werden können.

Die Anforderungen an das daneben nichtsdestotrotz zu beachtende und nachbarschützende Rücksichtnahmegebot richte sich dem OVG zufolge nach dem Grundstück, das mit einer Flüchtlingsunterkunft bebaut werden soll und nicht danach, ob ein benachbartes Grundstück im Innenbereich liegt. Soll eine Flüchtlingsunterkunft im unbeplanten Außenbereich errichtet werden, so folge das Rücksichtnahmegebot dementsprechend aus § 35 Abs. 3 BauGB, nicht aus § 34 Abs. 1 BauGB. Das Rücksichtnahmegebot gehöre zu den in § 35 Abs. 3 BauGB nicht ausdrücklich aufgeführten öffentlichen Belangen und schütze die Nachbarschaft vor unzumutbaren Auswirkungen von Außenbereichsvorhaben, wie beispielsweise einer „optisch bedrängenden“ Wirkung. Zur Beurteilung dessen wendet das OVG allerdings die hierzu zu § 34 Abs. 1 BauGB entwickelten Grundsätze an.

Aus unserem Dezernat Verwaltungsrecht stehen Ihnen für Stellungnahmen zu Fragen mit Bezug zum Öffentlichen Baurecht Rechtsanwalt und Notar Frank Boermann, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und für Bau- und Architektenrecht und Rechtsanwalt Reinhard A. Lau, LL.M. (Dal.) gern zur Verfügung.

Rechtsgebiet: Öffentliches Baurecht